critical_mass berlin 29.09.2023

Der Sommer schenkt uns einen weiteren lauen Abend, Banane, Ayran, Wasser und ein Graipefruitradler alkoholfrei (für hinten raus) sind an Bord und die Anfahrt zum Mariannenplatz führt die gewohnten Alltagsstrecken lang durch eine Stadt im Aufbruch.
Der Spätsommer ist in die Phase eingetreten, wo es um acht dunkel und trotzdem noch absolut warm genug für Kurzes ist und jeder dieser Abende der letzte sein könnte. Gefühlt sind ALLE unterwegs und es riecht an jeder Ecke nach Party.

Spät füllt sich der Platz aber er füllt sich und um 20:15 Uhr geht es los mit Bike, Bass und B*****. Blaulicht am Mariannenplatz lässt mich immer an die Scherben denken und da werd‘ ich schnell sentimental.

Downbeat begleitet rollt der Pulk smart mit ein paar Haken und ein paar roten Ampeln zum Potsdamer Platz. Alles so schön bunt hier und unter den schicken Momenten ganz viele mehr als nur ein Rücken beim Ampelwarten. Stimmung kollegial fröhlich und von Außen bis hierher quasi nur Zuspruch, was wohl auch an der treibend feinen Soundmaschine, der ich konsequent nahe bleibe, liegt und daran, dass wir ziemlich vorne, nah an der Spitze fahren wo Querverkehr aller Art noch keine drei Ampelphasen herumgestanden hat. Bis hierher beschränken sich Unmutsäußerungen auf vereinzeltes Gehupe und Gebrülle von entgegenkommenden verblendeten Verbrennerpiloten, die aus der Gruppe fröhlich beklingelt werden.

Neben mir eine Dreadlock Mama mit ca. 10 jähriger Tochter, die sichtlich Spaß hat. Dieser vergrößert sich noch als ein Junge am Straßenrand auf eine Bauabsperrung trifft, weil er so fasziniert von seinem Weg weg und dem radelnden Pulk zuschaut, dass er ungebremst hineinläuft. Weiches Plastik immerhin aber das Geräusch des Aufpralls ist beträchtlich.
Trotzdem müssen wir lachen und es ergibt sich für eine Weile ein freundliches Gespräch zum Berlin radeln mit Kindern Thema.

Der Weg führt in einer Art Zickzack raus bis zur Konstanzer Straße und zum Fehrbelliner Platz. Inzwischen wird schon lang gar nicht mehr gestanden, die Begleitmotorräder der Polizei sperren den Querverkehr an den großen Kreuzungen und treten allzu ungeduldigen Verbrennerpiloten mit sachlicher Autorität entgegen, allerdings wird inzwischen an den kleinen Seitenstraßen, die von mitfahrenden Teilnehmern gesichert werden, der Diskurs schon mal hitziger.

Kreuz und quer zurück durch den Westen und dann großer Stern. Ungezählte Runden, da sich wohl hinten eine Spaltung des Pulks ergeben hatte, der hier wieder zusammenfindet.
Siegessäulenkarusellparty, bestimmt 10-15 Minuten lang.

Um die Else duftet es nun an den ebenfalls rauchpausenden Polizisten vorbei merklich nach Weed, was angenehmerweise, berlintypisch einfach niemanden weiter beschäftigt. Iss halt so. Folklore.
Dann Hofjägerallee raus Richtung Zoo.

Inzwischen ist es zehn Uhr und es folgen zwei weitere Stunden annähernd meditativer Ritt durch’s Freitagabendberlin. Kuhdamm rauf und runter, einige Runden Ernst Reuter Platz bis sich der, inzwischen gut auseinandergezogene Pulk wieder zusammengefahren hat um sich danach via Brandenburger Tor, Alex, Frankfurter Tor, Warschauer, Mühlenstraße über die Jannowitzbrücke, Heinrich Heine Str. (die Schlange vor’m KitKat…grossartig!) wieder zu einer weiteren Runde über Kreuzkölln zu ergießen.

Im Laufe dieser zweiten Tourhälfte wird es immer notwendiger ungeduldige Automobilisten in die Schranken der StVO zu verweisen, damit sie nicht in den Pulk fahren, an Kreuzungen (un)geduldig den Radfahrenden die Vorfahrt gewähren und sich auch sonst mit zunehmend Feindseeligem zurück halten. Ich habe das Gefühl, dass die Stimmung seitens der Autofahrer auch dem falsch verstandenen Verteilungskampf um den Stadt- und Straßenraum geschuldet ist, seitdem er in der Stadt auch politisch wieder zugunsten des motorisierten Individualverkehrs betrieben wird. Die CDU Propaganda für eine Verkehrspolitik aus dem Mittelalter verfängt leider bei allzu vielen.

Es ist deutlich nach elf als die begleitenden Cop’s nach mehreren Voransagen die Musik (leider) endgültig stoppen. Immerhin ist die Ansprache freundlich und der Hinweis auf mehr als eine Stunde Kulanz, die Ihrerseits auf der Waage liegt verfängt bei den Soundsystembetreibern, was aus dem Pulk mit kollektivem Ooooooooohhhhh kommentiert aber ansonsten klaglos akzeptiert wird.
Ich spare mir die Ohrstöpsel, bedanke mich beim Mischmeister meiner Wahl, der die letzten 3 Stunden wirklich exzellente Beats geliefert hat und rolle, die Stille genießend die letzte halbe Stunde mit leichten Beinen mit zurück zum Mariannenplatz, wo ein Rest von vielleicht 200 Leuten ziemlich genau gegen Mitternacht aufschlägt.

Im Anschluss gibt’s die Belohnungsplörre aus Lübz und einen gemeinsamen Rauch mit einem anderen Einzelradler. Wir sind uns einig, dass das ein sehr runder, gelungener CM Abend war, der sollte ihm den diese Rolle zufallen als absolut würdiger Abschied von den Sommer CM’s 2023 durchgeht. Es sei denn am 27.10. gibt es noch mal einen allerhinterletzten Sommertag….Wir werden sehen.

Ich rolle noch rüber zum Schlesi, nehme einen Tee bei Salut und haue Touristen-like drei Euro für obskure Photaoautomaten-Schwarzweissbilder raus um dann fröhlich und beschwingt im leichten Sprühregen und mit beträchtlichem Gegen bzw. Seitenwind (Warschauer nach dem Windschatten vom neuen Hochhaus….AAAAALTER!) nach Nordosten zu Pedalen, wo mich meine Küche dann gegen halb zwei wieder hat.
Fazit: Gelungener Abend mit Spass- und Fittnessfaktor.

good morning palz-zen

copyright @ steffen winkler

Wie die Sonne durch die Blätter, erreicht das starke, fokussierte Licht der Wahrhaftigkeit immer irgendwo doch noch den Boden der Erkenntnis, selbst wenn so einiges lichthindernd im Weg hängt.

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Wo Schatten ist findet sich auch immer Licht, da das Eine ohne das Andere nicht existieren kann.
So haben dann auch die meisten Wege eine helle, erleuchtete Seite und eine dunklere, schattige.
Ein ausschliesslich ‚leuchtender‘ Pfad sollte genauso viel Misstrauen erregen, wie ein im Wesenskern ‚düsterer‘ Weg.

copyright @ steffen winkler

Ab und an kommt es vor, dass Wege sich gabeln und es Richtungsentscheidungen braucht.

copyright @ steffen winkler

Licht und Schatten.
Bergauf oder bergab.
Schmal oder breit.
Links oder rechts.

Wie auch immer man entscheidet:
Man sieht nur bis zur nächsten Biegung.

das wesen der enttäuschung

Wie jedes mal, wenn es im Leben zu wirklich einschneidenden Veränderungen kommt macht es sehr viel Sinn sich den Raum und die Zeit zu nehmen genau hin zu schauen.
Das ist mitunter schmerzlich und manchmal auch desillusionierend. Wie das Wort schon sagt muss ja der Enttäuschung offenbar irgendeine Art der Täuschung vorausgegangen sein. Die muss nicht zwingend zentral bei ‚den Anderen‘ aufgehängt sein. Man täuscht sich auch gern schon mal selbst, wenn es einem daran gelegen ist Dinge auf eine ganz bestimmte (die gewünschte) Art und Weise zu sehen und zu interpretieren.
Das ‚genaue Hinschauen‘ hilft in erster Linie genau diese Aspekte zu finden, zu erkennen und herauszufinden, wie es im weiteren Verlauf gelingen kann die Art Selbst-Täuschung zu vermeiden.
Dazu braucht es eine Menge Mut, da der Umgang mit den eigenen Defiziten sehr viel schwieriger ist als der Umgang mit den Defiziten Anderer. Gleichzeitig ist die öffnende Wirkung und der heilende Effekt des ‚vor sich selbst zurück Tretens‘ und des wahrhaftigen hin Schauens immens.
Es braucht den Mut Dinge zu bedauern, zu betrauern und Abschied zu nehmen, von eben jenen (geliebten und gepflegten) Vorstellungen, die oft nur dazu da sind Widersprüche zu kaschieren oder offensichtliche Sollbruchstellen ignorieren zu können.
Dafür etwas nicht anzugehen gibt es immer genug Gründe.
Das es so oft den Zwang der eruptiven, nicht aufzuhaltenden, dynamischen Entwicklung braucht um in die Position zu kommen, eben diese ungeschönte Wahrhaftigkeit zu- und an sich heran lassen zu können, sagt viel über die Struktur der allzu menschlichen Mechanismen aus, die dazu führen, dass Mensch sich immer wieder in der Art selbst hinter’s Licht führt um den unangenehmen, ja mitunter sogar bedrohlich wirkenden Wahrheiten zu entgehen.

Alle Dinge werfen einen Schatten, wenn sie im Licht stehen und je nach Veränderung der Lichtverhältnisse fällt auch der Schatten anders, wird im Verhältnis zum Gegenstand selbst möglicherweise auch größer als er vorher erschien.
Sich dem auszusetzen, auch diese (unbequemen) Wahrheiten zulassen zu können und das damit oft einhergehende Leiden aus zu halten bringt im Gegenzug ein Maß an Wahrhaftigkeit mit sich das mir auf lange Sicht sehr viel gesünder erscheint als einem Konstrukt zu folgen, welchen auf Selbsttäuschung, Mutlosigkeit und Angst basiert.