Die Uhr gegenüber am U-BHF zeigt schon seit geraumer Zeit fünf nach vier.
Es wäre Zeit da mal servicemäßig einzugreifen aber der gelbe Herzchen Betrieb hat derzeit abartige Probleme im oben verlaufenden Kerngeschäft und insofern nachvollziehbar andere Prioritäten.

Es ist Mittwoch und uns wird ein Spätsommer der ganz feinen Sorte gegönnt. Vierundzwanzig Grad und Vollsonne, wie dieser Tage Vollmond war. Es macht ein abartig schönes Licht und es ist ein Genuss ohne Druck die Notwendigkeiten des Tages mit dem Rad zu erledigen.

Da zum siebzehn Uhr Termin nur eine halbe Stunde Pedal zu veranschlagen ist bleibt Zeit für ein kleines Gedeck bei Salut. Schwarztee, süß und mit Milch, dazu eines dieser unfassbar lecker, furztrockenen Nusshörnchen, die im Zusammenspiel mit dem Tee im Abgang genau die richtige Konsistenz erreichen und etwas für zuhause. Zwei dieser unfassbaren Mandelhörnchen.

Dankbar um die Flexibilität des Arbeitstages, die mich diese Pracht so komfortabel nutzen lässt, hab‘ ich an diesem Nachmittag alles an der Schippe was an Verpflichtungen zu erledigen ist und dafür Wege innert der Stadt braucht.
Diese führen über X-Berg, was ich billigend in Kauf nehme und nach längerem Meiden dieses Spreeufers mit der Mußestunde hier entschärfe. Der Lampenmann wartet um fünf und es ist halt nur eine halbe Stunde Weg.
Unter anderem liebe ich diesen Ort so sehr, weil hier 24/7 Leben stattfindet. Um diese Zeit jetzt, am Nachmittag um diese Jahreszeit ist der Schatten vor der Bäckerei nicht ganz so notwendig wie im Hochsommer und der bunte Strom der Passanten irgendwie entspannter als unlängst bei über dreißig Grad. Zu Fuß, auf’m Rad oder hupend im Auto.

Sprichwörtlich jede Sorte Mensch kommt hier vorbei. Die Menschen so unterschiedlich wie die Fahrräder, die Helme oder die zur Schau getragenen Tätowierungen der sommerlich leicht bekleideten Stadtindianer*innen. Mit jedem Jahr mehr Haut, so zumindest mein Eindruck.
Das beruhigende fünf nach vier auf der Uhr gegenüber hat mich jetzt doch, es ist bereits kurz vor halb fünf und ich muss mich sputen.
Bis zur Danziger, rauf mit Musik im Ohr, gleichmäßiger Tritt und grüne Welle, über’s Frankfurter Tor, hinauf und am Bersarin Platz genauso gleichmäßig selbstverständlich rechts an den vor der Roten Ampel stehenden Radlern vorbei über’n Fußweg, wie man das im Flow halt so macht bei strahlendem Sonnenschein in Eile. Die Stelle ist bekannt und der Fußweg breit genug für mich und die bei grün anlandenden Fußgängern, hinter mir eine Radlerin, welche das Manöver exakt kopiert.
Ausgang Revaler schert dann der Streifenwagen quer vor uns mit Blaulicht ein uns zu stoppen.
Die Szene en Detail zu beschreiben ist mir zu schmerzhaft, vor allem ob der verbrannten mindestens 120€, welche der jungen Frau, die sich als Bulgarin erweist, deren Wohnsitz trotz Ausweis wohl etwas komplizierter zu klären ist, vermutlich nochmal schmerzhafter sind als mir. Immerhin ist es gelungen von den Beamten unbemerkt die Pods aus den Ohren in die Hosentasche zu transferieren.
Ich versuche den Gram möglichst klein zu halten, was halbwegs gelingt, zumal die Ermahnung des deutlich, sachlich, freundlichen Beamten völlig berechtigt und angebracht ist, was mir natürlich auch klar ist.

Ohne Pods geht’s weiter via Lampentermin zum See, wo ich mich in die bergende Nussschale der ZKB zurückziehe, und versuche dem Tag eine 50/50 Regelung ab zu gewinnen indem ich dies zu Ende schreibe.
Den Rest des Tages rettet die Tochter mit Ihrem Charme und der Freude über ein gemeinsam genommenes Wunsch Abendessen in Form von Flammkuchenzeugs als Vorspeise, sowie Kartoffeln mit Kräuterquark und Kohlrabi Gemüse hernach.
Kochen trägt erfahrungsgemäß positiv zur Beruhigung jeglichen Grams bei. Ein Umstand, der lange nicht unwesentlich zur Eskalation meines Körpergewichtes beigetragen hatte. Inzwischen hat sich das normalisiert und die Versuchung eines Nachtischs sind, in Form der Mandelhörnchen, durch den eiligen Aufbruch vergessen, bei Salut auf der Bank geblieben. Wer auch immer sie auf die Hüfte bekommen hat. Sie werden geschmeckt haben.
