the economy stupid…

Die Welt an sich ist der Handlungsort, Berlin die Perspektive, von der aus ich meinen Teil der ‚global-soap‘ erlebe.

Sie verkommt mir immer mehr zur Hintergrundkulisse, zur schieren Leinwand, auch weil ich mich in Bewegung inzwischen meist mit Kopfhörern abschirme, was ich früher strikt abgelehnt habe. Das ermöglicht mir rauschfreies Denken in rauschender Umgebung.

Keine teure Frequenzschluckmaschine, wie sie heute verkauft werden um das ‚Stillebedürfnis‘ der getriebenen High-Performer zu bedienen , sondern ein leicht basslastig klingendes Standardteil aus dem ‚Action‘-Sortiment. ‚Fresh’n Rebel‘ war als Produktname unwiderstehlich und eben….der Kampfpreis von unter 15 Euro.

Er macht seinen Job, ist leicht und klein zu verpacken und hat bis hierher ohne Beanstandung alles geleistet, wofür ich ihn vor 1,5 Jahren erworben habe . Die halboffene Bauweise lässt, bei adäquater Lautstärkeneinstellung Umgebungsgeräusche zu, was im Hauptstadtverkehr mitunter lebenswichtig ist. Das Bluetooth Modul liefert stabile Verbindungen und die Bedienbarkeit auch unterwegs ‚in motion‘ hat mich, wenn auch suboptimal angelegt, noch nie nachhaltig genervt.

Die weithin explizite Sichtbarkeit und die Tatsache, dass er nicht unter den Fahrradhelm passt waren weitere ‚selling points‘, die den unhinterfragten Spontankauf dahingehend beförderten, dass preisbedingt, für’s selbe Geld noch ein paar, nicht minder gut funktionierende kabelfreie Ohrstöpsel mit brauchbarem Sound zu erwerben möglich war. Diese nerven zwar leicht, was die Usability am Stöpsel selbst betrifft, sind aber sonst auch ohne Beanstandung. Sie bieten die Fahrradvariante, die unter Verkehrssicherheitsaspekten völlig indiskutabel, trotzdem von Zeit zu Zeit aus emotionalen Gründen einfach notwendig ist. Neunundzwanzigachtundneunzig ensemble.
Keine Fragen meinerseits.

Die Preise beim Boss, dem Teufel und deren Konsorten wie Senn sie auch immer heissern liegen in der Spanne um 100 € drüber, nach oben ist das offen und Äpfel scheiden alleine dadurch aus, daß sie nur weil sie Äpfel sind noch mal eine fette Schippe drauf legen. Der Umgang der Menschen mit Geld verrät so viel über die Menschen selbst.

Ich weigere mich inzwischen, so kompromisslos es irgend geht, Geld für Marken, ein Image und das Gefühl es dahin geschafft zu haben mir das ‚leisten‘ zu können auszugeben. Von Naomi Klein’s ‚ No Logo‘ über ‚Air‘ von Ben Afflek, ist mir dieses Thema über die Jahre in 1000 Varianten begegnet, und ein paar Jahre vollhaftender Komplementär einer Kommanditgesellschaft gemeinsam mit einem ‚no need‘ Punkrocker haben ausgereicht mir zu zeigen, wie viel Freiheit entsteht, wann man in der Lage ist seine Bedürfnisse sortiert zu betrachten. Was brauche ich wirklich, was ist ‚nice to have‘. Mehr Kategorien braucht es nicht.

Ich versuche mein Kind in diesem Geist zu erziehen und es läuft ganz gut.

Sie wird in einer Welt leben, in der diese Fähigkeit das zu unterscheiden und einordnen zu können ein vermutlich noch wertvollerer Skill sein wird als er es in meinem schon ist. Es verhindert schlicht ungebremst dem Unfug hinterher zu laufen, den die Konsumgesellschaft mit all Ihren Ausprägungen uns überhilft. Es erlaubt dadurch mit deutlich weniger Ballast unterwegs zu sein. Das schafft Räume und Zeit, die beide nicht erst ‚erwirtschaftet‘ werden müssen.

Bis kurz vor meine Vierziger passte mein Besitz immer in den VW Bulli und es ließ sich einfach und schnell umziehen. ‚Leichtes Kampfgepäck‘ hab‘ ich das damals genannt.

Heute erst ist mir bewusst, dass ich einen Teil dieses Lebens schon damals wohl als harten Kampf empfunden haben muss, sonst hätte ich dieses Wort, im Widerspruch zur lebensprägenden Gewaltfreiheit, vermutlich nicht benutzt. 20 Jahre später bin ich sesshaft und meine Scholle verfügt über alles, was es braucht, vieles was wir mögen, was uns guttut, womit wir gerne Leben, auch wenn wir‘s nicht unmittelbar benötigen. Ein paar schöne Dinge und ja, weitaus mehr Gitarren als es haben müsste. Auch ich bin nicht ohne Widersprüche und mir dessen bewusst.

Das hat grob‘ beschrieben ziemlich nichts mit dem zu tun, was die allgemeinen Muster und Erwartungen an ‚Erfolg‘ oder ‚Vermögen‘ betrifft, die für jemanden meiner Generation, mit meiner Herkunft und Bildung vorgesehen und wohl auch möglich gewesen wären.

Der Wert unserer limitierten Zeit wird schlicht höher veranschlagt als der des ganzen Tand, den man ‚haben‘ kann, der aber halt schon auch immer ‚seinen Preis‘ hat. Der Raum zum ‚Sein‘ hat auch seinen Preis, aber den zahlen wir an kein Unternehmen, keine Bank und keinen Immobilienhändler, keinen Schnickschnack Konzern, keinem Reiseunternehmen und keinem Turnschuhverkäufer. Konsum als Selbstzweck geht gar nicht.

Wir sind in der privilegierten Situation uns alles kaufen zu können, was wir benötigen und das in guter, angemessener Qualität auch ohne diesen Tribut an die sozial und ökologisch zersetzenden, ökonomisch widersinnigen, angeblichen Zwänge des brand-götzenhaften Konsums, leisten zu müssen. Und sogar Urlaub ist drin.

In jahrelanger teilnehmender Beobachtung haben wir gelernt, wie das was wir politisch und ökonomisch dieser Tage ernten, gesät und aufgezogen wurde. Von der arroganten Ignoranz gegenüber den eigenen Widersprüchen, der verbalen Ökoaktivisten, die dann Winters nach Norwegen zum Skilaufen fahren, weil’s im heimischen Allgäu der Kanonen-Schnee nicht mehr schön genug ist, die sich regenbogenbunt anmalen und dann die Kinder mit ‚PSG‘-Shirts tapezieren, damit sie ja in der ‚Masse‘ mit schwimmen können, während im Land des Hauptsponsors, für den die Kids dann Werbung laufen, die praktische Ausübung der hip gelebten Bisexualität mit der Todesstrafe geahndet wird.
Entweder werden die Euros für das haltlos überteuerte Plastiktextilleibchen dem Scheichverein einfach gespendet weil man’s ja hat oder man hält sich für noch mal schlauer, weil man einen Menschen mit Migrationshintergrund gönnert indem man ihn die Dinger in gefälscht immer noch viel zu teuer auf dem schwarzen Kanal abkauft.
Auf der gemeinschaftlichen Dachterrasse mit unverbaubarem Blick wird bei temperiertem Crémant dann die soziale Schieflage im Land beklagt. ‚Leave no one behind‘ steht auf dem Banner am Eigentumsbalkon der woken Baugruppe, schließlich engagiert man sich ja ‚wo man kann‘.

Beliebigkeit ist Trump, solange man sich selbst nicht einschränken muss und dabei trotzdem sein individualisiertes Opfernarrativ pflegen kann. Ob dieses sich um die Steuerlast oder den Freiheitsbegriff, die Wirtschaftsentwicklung oder die Kausalität der Migrationsströme dreht bleibt sich dabei gleich. Das Muster ist immer das gleiche.

Die Lage, welche durch diese bigotten Milieus, ihr politisches Agieren, aber vor allem durch ihre grundständige Verlogenheit entstanden ist, eben diese Lage auszuhalten ist die Aufgabe, die sich denen stellt, die versuchen nachhaltig und sinnstiftend zu agieren.
Eine Trendumkehr ist nicht in Sicht.

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