darß zen reloaded

Als sich die Möglichkeit ergibt das letzte Wochenende quasi in Kopie zu wiederholen kann ich mein Glück kaum fassen. Auch der Wetterbericht sagt ein weiteres, spätsommerliches, ungetrübtes Prachtwochenende an.

Abwesenheit von Netzen und sonstigen Ablenkungen. Einkehr total, mitten in schönster Natur, mit dem Meer vor der Nase. Ungestörter geht’s nicht und die Umgebung, wie der Spätsommer haben mich am letzten Wochenende schon so gut aufgeladen, dass die darauf folgende Woche sich ausnahmslos leicht angefühlt hat. Ein sehr erstrebenswerter Zustand, der mir lange nicht gelungen ist.

Bis hier her.

Was ist dieses ‚Hier‘ kurz hinter’m Kiecköver?
Mir ist es der perfekte Abschied von diesem zweiten schwierigen Sommer, der eine wunderbare Auflösung anbietet, die ich dankbar annehme.

Die Weite
Das besondere Licht, welches es nur hier zu geben scheint
Der Blick über den Bodden nach Barth
Der Weg zum Strand barfuß
Der pralle nahe volle Mond
Die wärmende Spätsommersonne
Das kalte Wasser
Die nackte Haut
Das taunasse Grass am Morgen
Die endlos erscheinenden Wege
Der Sand in allen Ritzen
Die Reduktion auf das ‚Jetzt‘
Das Hinwenden nach innen
Das immer feinere Spüren
Die entstehende Leichtigkeit
Das beruhigende Farbenspiel
Der Boden unter den nackten Füßen
Das Einkehren von Frieden
Das gut Sein mit mir
Abwesenheit aller Schmerzen

Ich durfte zweimal eine pralle Schippe runterkommen und bei mir sein nehmen.
Irgendetwas in der Welt, die ich sonst grad‘ so schwer ertrage, ist gut zu mir.
Es ist immer, alles schon da.
Es muss nur gesehen werden.
Der Trick liegt zum Einen in der Einfachheit der Dinge und zum Anderen in ihrem Fluss.

Nichts davon war langfristig geplant. Wetter ist eh‘ nicht planbar und das zwei komplett freie Wocheneden passieren ergab sich auch erst ja ein kleines Stück vorher.
Das September-Deutschlandticket ging auf meine Schlampigkeit zurück. Ich hatte vergessen zu kündigen.

Daraus sind vier der großartigsten Tage des Jahres geworden.
Ich kann bei mir sein und wissen:
Es kommt sich schon aus.
Mehr brauch‘ ich nicht.

‚Another Beach‘ bewährt sich als Prinzip einmal mehr.

Am Ende des Tages.



darß zen

Über das Gehen und die Zeit

Sundische Wiesen - Zingst

Barfuß zu Ende gehen…..einfach nur um zu wissen wie weit der Weg führt und dabei fest zu stellen, dass es nicht an den Füßen, sondern am Untergrund liegt.
Schuhe sind etwas Feines, aber LAUFEN funktioniert auch davon unabhängig.
Es sind Untergrund, Distanz und die Zeit, in der wir diese zurück legen wollen, die unseren Gang bestimmen. Da trägt der Schuh schnell und weit, nur spürt man die Grundlage auf der man sich bewegt nicht mehr….

Man sagt durchs Leben gehen!
Durchlaufen werden Karrieren.

Deshalb bewirbt man sich mit mit einem ‚Lebenslauf‘.
Nachweis erbringen über Ressourcen, bisher Geleistetes und zukünftige Leistungspotenziale.
Bemessen wird nach Distanz und nach Zeit, die wir gebraucht haben, um diese Distanz zurückzulegen.

Ein Wettkampf um mehr Distanz in kürzerer Zeit.

Was sprichwörtlich auf der Strecke bleibt, ist der Rhythmus.

Bestimmt der Rhythmus die Distanz und nicht der Wettkampf, entsteht Tiefe und Klarheit, die es braucht, um sinnstiftend und achtsam zu Leben.

Der Faktor Zeit minimiert sich in seiner Bedeutung auf das Verstehen der Endlichkeit.

Verständnis für die Kostbarkeit eines JEDEN Moments.

meerglas

#another beach:
meerglas

An den Stränden der Ostsee lässt sich allerhand dekoratives, wertvolles und poetisches finden und einsammeln. Die Ausstellung beim Leuchtturm (Darßer Ort) zeigt so ziemlich alle find baren Preziosen in der Art beschrieben und en Detail, dass es ein guter Ort ist, um alles darüber zu lernen was das Ostmeer wo, woher und warum an seine Strände spült. Es schärft dem Ungeübten den Blick für Hühnergötter, Donnerkeile, Versteinerte Seesterne, seltenen Bernstein, Fischknochen, allerhand Holz und und und…

(copyright @ Kerstin Langer)

Von früheren Dampfschiffen stammende Steinkohlereste vom ewigen Flint unterscheiden zu können fällt vermutlich weit in die Kategorie des unnützen Wissens, fasziniert mich dennoch genauso wie die Herkunft und der Weg des Meerglases, welches sich durch unsere Ostseegeschichte der letzten 10 Jahre zieht.

Auch daran ließe sich das ganze Leben in Zeit aufreihen, wie die Hühnergötter auf Schnur, die so lange und schwer rechts über dem Küchenfenster hingen, bis sie dann an der Wand des ZEN-Balkons endlich einen passenden Platz fanden. Und da gibt es eben noch das Zentrum meines Universums der Kieshaufenfundsachen vom Ostmeer:
Meerglas oder Meer Glas, wie es mir die Rechtschreibkorrektur vorschlägt.

(copyright @ Kerstin Langer)

Es gibt inzwischen Bücher darüber und Menschen, die quasi eine Wissenschaft daraus gemacht haben. Kunst in jedweder Form, verwendet es. Es wird gesammelt in Flaschen, Vasen, Setzkästen und Schubladen, sortiert nach Größen, Farben, Formen und Art.

In den ersten Lebensjahren meiner Tochter hatten wir das Glück viele Tage an den Stränden zwischen Wismar und Stralsund zu verbringen. Der Bodden, das ‚Otterwechesel-Schild‘…

…das spezielle Licht am Darß, die Vögel, Schilfmeer, die Zeesboote mit ihren roten Segeln und die Weite der Landschaft haben in mir immer etwas besonders bewegt. Ich beobachte mit Freude, dass es sich auch in Martha geprägt hat. Ihre Kindheitserinnerungen sind reich davon.

Das Hinschauen beim Suchen, die Freude am Finden, das Wissen wollen, Erklären können und darüber wiederum zur Herleitung eines ‚Gesamtsystems‘ (Ostsee) zu finden, in all den Details, die uns auf hunderten Infotafeln inkl. natürlichem Ansichtsmaterial begegnet sind auf unseren Wegen dort, war und ist für sie von unschätzbarem Wert.

Zentrales Element ist das Meerglas für uns geworden, weil es quasi überall vorhanden, verhältnismäßig leicht zu finden und in rauen Mengen vorhanden ist. Der Spaß entsteht beim Sammeln von selbst.

Als Deko- oder Bastelmaterial fanden die vielen kleinen Scherben genauso Verwendung, wie große geprägte Fundstücke, Flaschenböden oder besondere Formen, die ihren Ehrenplatz in den Regalen und Kästchen und Rahmen bekommen.

Ob glatt, glasig, durchsichtig oder milchig abgeschliffen, ob teil rund, flach, gekerbt oder in der Teil Form kleine bis große, in vollständiger Rundung erhaltene, Stücke von Flaschenhälsen, ob grün, braun, blau, weiß oder rot. Die Farben und Formen sind schier unendlich. Rot allerdings ist extrem selten zu finden.

Bernstein wird viel und gerne zu Schmuck verarbeitet. Die Ketten, Ohrringe, Armbänder aus Reihungen der honiggelben fossilen Harzperlen sind an der Küste allgegenwärtig. In den letzten Jahren taucht vermehrt auch das Meerglas als Element auf. Es ist, was den Schliff betrifft, durch seine Brüchigkeit, schwieriger zu bearbeiten als Edelsteine.

Formen und glatten Rand herzustellen, gelingt dem Meer in Jahren und Jahrzehnten der Bearbeitung des Materials und die Ergebnisse sind immer Folge eines willkürlichen natürlichen Prozesses. Das Meer schleift nicht gezielt, sondern verkörpert die Verbindung aus mechanischer Kraft und Zeit in einem scheinbar zufälligen und doch ‚kosmisch irgendwo aufgehängten‘ Prozess. Daraus entsteht in meinen Augen die Poesie des Meerglases als Material.

Die spricht auch aus den Segeln, der Wäsche auf der Leine oder den Vögeln im Geäst, den Ästen der Windflüchter und den vielen wunderbaren Dingen, zu welchen die auf Usedom ansässige Künstlerin Kerstin Langer, in ihren Miniaturen und Bildern, Meerglas in all seinen Farben und Formen verarbeitet.

Darstellung einer  Figur aus Meerglas

(copyright @ Kerstin Langer)

Bei ihr haben wir uns das Wesentliche abgeschaut. Als wir dann das Finale des ‚längsten Ostseesommers aller Zeiten‘ nicht auf dem Rad, sondern am Klausdorfer Strand verbracht haben ist das Meerglas auch für uns ein bestimmendes Element der dort entstandenen Bilder und Basteleien geworden.

(copyright @ Kerstin Langer)

Es ist immer da gewesen, all die Jahre. Auf den Bildern, in den Gläsern und Flaschen, den Vasen und Kästchen. Am Fenstersims und im Regal.

Es war nur folgerichtig, ein Tütchen voll davon dabei zu haben als es dann konkret wurde mit dem Auftrag an die Schmuckschmiedin für die Ringe.

Das sofortige Verständnis meiner Idee, die kurze Skizze beim Gespräch als ich zum ersten Mal in ihrem Laden war, die Begeisterung für die Vision und das sofortige Benennen der Herausforderung des Materials. Als sie mir dann eine schnelle Kalkulation auf den Zettel zusammenschrieb, die völlig wider Erwarten ein Budget aufrief, welches Leistbar war und die Sache ‚absolut wert‘, waren wir sofort per Handschlag im Geschäft.

Als dann der bis dahin völlig unbedeutende Termin zur Fertigstellung durch die Dynamik der Wochen um den Jahreswechsel virulent wurde, der subdienstleistende Steinschleifer jedoch erst in Urlaub und dann krank war, enttäuschte die Schmuckschmiedin nicht. Vielmehr glänzte sie nicht nur durch vollen Einsatz und termingerechte Bereitstellung des Ringpaars, inklusive Größenanpassung des Einen auf’n Sonntag, sondern löste die Herausforderung so souverän im Ergebnis, dass hier etliche Punkte auf’s Poesiekonto flossen.

Auch ihre Seele steckt mit in diesem Paar Ringe. Das sie sich von der, Geschichte zum Meeglas und zum etwas unüblichen Scope der Gravur, die ich ihr nun wie versprochen zur Abholung erzählte, zu Tränen rühren ließ ist mehr als ein Sonnenstrahl aus Ihrer Seele, der nun mit in den Ringen steckt.

Wir haben das Meerglas, nach der Trauung in Barth, an den Händen nach Hause gebracht. Es war ein wunderschöner Vorfrühlingstag mit blauem Himmel, Sonne und dem in der Vergangenheit so oft gegangenen Weg von der Seebrücke in Graal Müritz in Richtung Warnemünde. Damit sind die Dinge rund wie die Ringe und zum Meerglas bestimmt lange nicht alles, aber für hier und jetzt genug gesagt.