Als sich die Möglichkeit ergibt das letzte Wochenende quasi in Kopie zu wiederholen kann ich mein Glück kaum fassen. Auch der Wetterbericht sagt ein weiteres, spätsommerliches, ungetrübtes Prachtwochenende an.
Abwesenheit von Netzen und sonstigen Ablenkungen. Einkehr total, mitten in schönster Natur, mit dem Meer vor der Nase. Ungestörter geht’s nicht und die Umgebung, wie der Spätsommer haben mich am letzten Wochenende schon so gut aufgeladen, dass die darauf folgende Woche sich ausnahmslos leicht angefühlt hat. Ein sehr erstrebenswerter Zustand, der mir lange nicht gelungen ist.
Bis hier her.
Was ist dieses ‚Hier‘ kurz hinter’m Kiecköver? Mir ist es der perfekte Abschied von diesem zweiten schwierigen Sommer, der eine wunderbare Auflösung anbietet, die ich dankbar annehme.
Die Weite Das besondere Licht, welches es nur hier zu geben scheint Der Blick über den Bodden nach Barth Der Weg zum Strand barfuß Der pralle nahe volle Mond Die wärmende Spätsommersonne Das kalte Wasser Die nackte Haut Das taunasse Grass am Morgen Die endlos erscheinenden Wege Der Sand in allen Ritzen Die Reduktion auf das ‚Jetzt‘ Das Hinwenden nach innen Das immer feinere Spüren Die entstehende Leichtigkeit Das beruhigende Farbenspiel Der Boden unter den nackten Füßen Das Einkehren von Frieden Das gut Sein mit mir Abwesenheit aller Schmerzen
Ich durfte zweimal eine pralle Schippe runterkommen und bei mir sein nehmen. Irgendetwas in der Welt, die ich sonst grad‘ so schwer ertrage, ist gut zu mir. Es ist immer, alles schon da. Es muss nur gesehen werden. Der Trick liegt zum Einen in der Einfachheit der Dinge und zum Anderen in ihrem Fluss.
Nichts davon war langfristig geplant. Wetter ist eh‘ nicht planbar und das zwei komplett freie Wocheneden passieren ergab sich auch erst ja ein kleines Stück vorher. Das September-Deutschlandticket ging auf meine Schlampigkeit zurück. Ich hatte vergessen zu kündigen.
Daraus sind vier der großartigsten Tage des Jahres geworden. Ich kann bei mir sein und wissen: Es kommt sich schon aus. Mehr brauch‘ ich nicht.
‚Another Beach‘ bewährt sich als Prinzip einmal mehr.
Die Uhr gegenüber am U-BHF zeigt schon seit geraumer Zeit fünf nach vier. Es wäre Zeit da mal servicemäßig einzugreifen aber der gelbe Herzchen Betrieb hat derzeit abartige Probleme im oben verlaufenden Kerngeschäft und insofern nachvollziehbar andere Prioritäten.
Es ist Mittwoch und uns wird ein Spätsommer der ganz feinen Sorte gegönnt. Vierundzwanzig Grad und Vollsonne, wie dieser Tage Vollmond war. Es macht ein abartig schönes Licht und es ist ein Genuss ohne Druck die Notwendigkeiten des Tages mit dem Rad zu erledigen.
Da zum siebzehn Uhr Termin nur eine halbe Stunde Pedal zu veranschlagen ist bleibt Zeit für ein kleines Gedeck bei Salut. Schwarztee, süß und mit Milch, dazu eines dieser unfassbar lecker, furztrockenen Nusshörnchen, die im Zusammenspiel mit dem Tee im Abgang genau die richtige Konsistenz erreichen und etwas für zuhause. Zwei dieser unfassbaren Mandelhörnchen.
Dankbar um die Flexibilität des Arbeitstages, die mich diese Pracht so komfortabel nutzen lässt, hab‘ ich an diesem Nachmittag alles an der Schippe was an Verpflichtungen zu erledigen ist und dafür Wege innert der Stadt braucht.
Diese führen über X-Berg, was ich billigend in Kauf nehme und nach längerem Meiden dieses Spreeufers mit der Mußestunde hier entschärfe. Der Lampenmann wartet um fünf und es ist halt nur eine halbe Stunde Weg.
Unter anderem liebe ich diesen Ort so sehr, weil hier 24/7 Leben stattfindet. Um diese Zeit jetzt, am Nachmittag um diese Jahreszeit ist der Schatten vor der Bäckerei nicht ganz so notwendig wie im Hochsommer und der bunte Strom der Passanten irgendwie entspannter als unlängst bei über dreißig Grad. Zu Fuß, auf’m Rad oder hupend im Auto.
Sprichwörtlich jede Sorte Mensch kommt hier vorbei. Die Menschen so unterschiedlich wie die Fahrräder, die Helme oder die zur Schau getragenen Tätowierungen der sommerlich leicht bekleideten Stadtindianer*innen. Mit jedem Jahr mehr Haut, so zumindest mein Eindruck.
Das beruhigende fünf nach vier auf der Uhr gegenüber hat mich jetzt doch, es ist bereits kurz vor halb fünf und ich muss mich sputen.
Bis zur Danziger, rauf mit Musik im Ohr, gleichmäßiger Tritt und grüne Welle, über’s Frankfurter Tor, hinauf und am Bersarin Platz genauso gleichmäßig selbstverständlich rechts an den vor der Roten Ampel stehenden Radlern vorbei über’n Fußweg, wie man das im Flow halt so macht bei strahlendem Sonnenschein in Eile. Die Stelle ist bekannt und der Fußweg breit genug für mich und die bei grün anlandenden Fußgängern, hinter mir eine Radlerin, welche das Manöver exakt kopiert.
Ausgang Revaler schert dann der Streifenwagen quer vor uns mit Blaulicht ein uns zu stoppen.
Die Szene en Detail zu beschreiben ist mir zu schmerzhaft, vor allem ob der verbrannten mindestens 120€, welche der jungen Frau, die sich als Bulgarin erweist, deren Wohnsitz trotz Ausweis wohl etwas komplizierter zu klären ist, vermutlich nochmal schmerzhafter sind als mir. Immerhin ist es gelungen von den Beamten unbemerkt die Pods aus den Ohren in die Hosentasche zu transferieren.
Ich versuche den Gram möglichst klein zu halten, was halbwegs gelingt, zumal die Ermahnung des deutlich, sachlich, freundlichen Beamten völlig berechtigt und angebracht ist, was mir natürlich auch klar ist.
Ohne Pods geht’s weiter via Lampentermin zum See, wo ich mich in die bergende Nussschale der ZKB zurückziehe, und versuche dem Tag eine 50/50 Regelung ab zu gewinnen indem ich dies zu Ende schreibe.
Den Rest des Tages rettet die Tochter mit Ihrem Charme und der Freude über ein gemeinsam genommenes Wunsch Abendessen in Form von Flammkuchenzeugs als Vorspeise, sowie Kartoffeln mit Kräuterquark und Kohlrabi Gemüse hernach.
Kochen trägt erfahrungsgemäß positiv zur Beruhigung jeglichen Grams bei. Ein Umstand, der lange nicht unwesentlich zur Eskalation meines Körpergewichtes beigetragen hatte. Inzwischen hat sich das normalisiert und die Versuchung eines Nachtischs sind, in Form der Mandelhörnchen, durch den eiligen Aufbruch vergessen, bei Salut auf der Bank geblieben. Wer auch immer sie auf die Hüfte bekommen hat. Sie werden geschmeckt haben.
Barfuß zu Ende gehen…..einfach nur um zu wissen wie weit der Weg führt und dabei fest zu stellen, dass es nicht an den Füßen, sondern am Untergrund liegt. Schuhe sind etwas Feines, aber LAUFEN funktioniert auch davon unabhängig. Es sind Untergrund, Distanz und die Zeit, in der wir diese zurück legen wollen, die unseren Gang bestimmen. Da trägt der Schuh schnell und weit, nur spürt man die Grundlage auf der man sich bewegt nicht mehr….
Man sagt durchs Leben gehen! Durchlaufen werden Karrieren.
Deshalb bewirbt man sich mit mit einem ‚Lebenslauf‘. Nachweis erbringen über Ressourcen, bisher Geleistetes und zukünftige Leistungspotenziale. Bemessen wird nach Distanz und nach Zeit, die wir gebraucht haben, um diese Distanz zurückzulegen.
Ein Wettkampf um mehr Distanz in kürzerer Zeit.
Was sprichwörtlich auf der Strecke bleibt, ist der Rhythmus.
Bestimmt der Rhythmus die Distanz und nicht der Wettkampf, entsteht Tiefe und Klarheit, die es braucht, um sinnstiftend und achtsam zu Leben.
Der Faktor Zeit minimiert sich in seiner Bedeutung auf das Verstehen der Endlichkeit.
Verständnis für die Kostbarkeit eines JEDEN Moments.
Auch der Tod der einzigen Katze, mit der ich jemals halbwegs warm geworden bin gehört zum letzten, von Abschieden geprägten Jahr. Einmal hat sie mich wach geglotzt. Das war noch in der anfänglichen Abstandsphase. Zu der Zeit war der Deal die friedliche Koexistenz.
‚Ich lebe mit dem was Deine Haare in der Wohnung an meiner Haut tun und Du krallst Dich nicht in meiner Jeans oder sonst wo fest, sondern machst einen möglichst großen Bogen um mich.‘
Das hatte sie bis dahin eingehalten, selbst wenn ich es an manchen Tagen war, der ihr das Futter hinstellte. Auch da wurde der Abstand gewahrt. Bis zu diesem Morgen.
Ich lag Sonntags gegen halb zehn, wie meist um diese Zeit alleine, schlafend im Bett und hatte beim Aufwachen ein indifferentes Gefühl demgegenüber was mich da gerade weckt. Kein Geräusch keine innere oder äußere Befindlichkeit. Scheinbar grundlos bin ich von einem auf den anderen Moment glockenhell wach.
Als ich die Augen öffne ist das Katzengesicht ca. 10 Zentimeter von meinem entfernt und starrt mich unverwandt an. Sie sitzt da vor den niedrigen Bett wie eine Sphinx und glotzt regungslos in meine Augen.
Zum ersten mal verschwindet sie nicht, als ich mich rege und bleibt auch bei mir als ich aufstehe um mich ums Frühstück zu kümmern, welches gegen elf erwartet wird.
Ab da waren für die restliche Zeit, die ihr blieb sogar regelrechte Dialoge und zugewandte Berührungen beiderseits möglich. Vielleicht ein im wahrsten Wortsinn ‚blindes‘ Verständnis mit dem steinalten Tier, das bei aller dadurch verursachten Schreckhaftigkeit nie affektiv aggressiv auf mich reagiert hat. Einsamkeit verbindet.
Ihr sicherlich erlösender Tod im hochbetagten Katzenalter hinterließ eine Lücke, die nicht zu füllen war.
Wir haben ihr ein Denkmal gesetzt, von dem wir nicht wissen wie es verblieben ist. Aber wir haben es gebastelt, haben dabei getrauert und uns im Leben dem logischen Ende im Frieden genähert, was einen weiteren sehr wertvollen Moment mit meiner Tochter ergab, die mich heute an das Datum erinnerte.
Danke Katze, Danke auch dafür…auch ein Jahr danach.
Das mit dem nachts aufwachen hat sich leider verstetigt. Früher bin ich Nachtens raus aufs Klo und nicht mal richtig aufgewacht dabei. Heuer lieg ich öfter wie nachts im kalten Zelt, wenn’s auf’m Platz nicht der nächste Baum sein darf, sondern abscheulich klammkalte 84 Meter zu gehen sind zur Keramik und ich denke ‚schon wieder‘?
Weit über das alte Männer Ding raus sind es die derben Wellen die das Leben im letzten Jahr geschlagen hat und die ungeklärten Threads im Desaster, die präsent sind nach wie vor, auch wenn das Leben natürlich weiter gegangen und es mir gelungen ist nachhaltig Sonnenschein zu etablieren.
Sie manifestieren sich in Gedankenschleifen immer gleicher Fragen, im Wissen das diese, auch unbeantwortet, kleiner werden am sich weitenden Horizont und nunmehr nur noch der Faktor Zeit dafür sorge tragen kann, dass eben dieses auch noch aufhört…irgendwann.
Für beides habe ich entsprechend verschiedene Strategien entwickelt, mit denen ich mich dem Problem nähere.
Beschränkt auf den nächtlichen Harndrang ist das einfach. Nicht, wie eben im kalten Zelt, lang fackeln, weil das Heil im Badezimmer wartet und der geheizte Weg dahin kaum drei Meter sind. ReinRaufRunterRaus wie beim PIT-Stop, dabei die Schluppen NIE vergessend, weil einmal mit gespreizten Zehen um und zwischen den schmalen Fuß vom Bad Regal…unvergesslich, schreit nach Wiederholungsvermeidung.
Der Drang, wenn sich der Schlaf nach Unterbrechung nicht von selbst wieder einstellt, in Gedankenschleifen nicht nur hängen zu bleiben, sondern mich hinein zu legen wie in ein lauwarmes Bad, knapp an der Grenze zum ‚zu kalt‘, doch klar und semi-angenehm im Spüren. Der Hang dazu dann Erinnerungen, Fantasien und Emotionen zu einem unguten Brei zu rühren der, wenn darüber doch der Schlaf wieder kommt, zumeist in übelste Gefilde meiner Seele führt, was i.d.R. irgendwann durch erneutes Erwachen die nächste Runde einläutet. Diesem Drang ist bedeutend schwerer zu begegnen.
Unlängst hab‘ ich mich vor Aufkommen des Sturms dahingehend diszipliniert, dass ich das ‚glockenhellwach‘ registriert und sofort in die Küche geschleppt habe, statt es im Bett zu wendeln. Kaffee war nicht nötig und auch die Uhr ließ Spielraum für erneuten Schlaf nach Intermezzo. Offenes Gelände also.
Strategie: Maltasche raus! Aquarell.
Hürde: Kein Motiv.
Das Erste, was mir aus Traumresten entgegen fiel war der Blick von der Westseite der Oberbaumbrücke Richtung Kreuzberg, Mit Kathrin war ich dort vor Jahren dort zum X-Jazz Festival.
6.5.2017 Natalia Mateo @ x-jazz im fluxbau
Nathalia Mateo, die ich in Achims 2RaumWohnung erstmals gesehen, sofort verehrt und in den darauf folgenden Jahren bei jeder sich mir bietenden Gelegenheit gehört habe. Ihre Version von ‚windmills of my mind‘ bewegt und beflügelt mich bis heute jedes mal.
Natalia Mateo am 4.7.2015 @seppmaiers2raumwohnung
Wir hatten uns vorher bei Salut getroffen. Tee und Teilchen. Das Konzert war sehr Jazz und für Kathrin eher ‚ein Versuch‘, der Abend insgesamt stimmig und schön. Der Blick auf dem Rückweg, wie sich die Lichter des Ladens im Wasser der Spree spiegeln und sich der rote Ballon, der sich in der Mitte an hoher Stange (wodurch eigentlich verursacht?) immer in veränderter Position zeigt. Zeit? Wetter? Laden auf/zu? Keine Ahnung, bis heute nicht. Auch etwas, was mich schon ewig interessiert, was ich aber nie versucht habe herauszufinden. Der Blick zurück fühlt sich gut an.
Ich diszipliniere mich ein weiteres Mal und nehme das Handy nicht in die Hand, versuche es aus dem Bild in meinem Kopf und erziele, ungeübt wie ich mit dieser Technik noch bin und eingedenk der Tatsache, dass ich eh weder Zeichnen noch malen kann, was mich nicht davon abhält es mit stetig wachsender Begeisterung zu tun, ein Ergebnis.
Muss trocknen.
Ich kann danach noch 2 Stunden ruhig und erholsam schlafen, ehe der Wecker um sechs Uhr klingelt.
Nach dem Aufstehen mache ich den Bildabgleich mit dem ikonischen Foto der Oberbaum-Perspektive. Das Bild, indem Elmo ebenso wie in dem Panoramabild vom See und dem Strandbad, analog zu mir sofort in der Spiegelung der Peaks und der Form die gesamte ‚wave-Struktur‘ der Sounddatei erkannt hat, ist klar und konturiert, der rote Ballon zentriert es nur zusätzlich. Ein Detail.
Dennoch steht er im Mittelpunkt und der Rest sind Farben und Konturen, das Bauwerk, das Licht die Spiegelung im Wasser verneigen sich quasi vor dem runden Ding in lipstick-red. Die Farbe meiner Küche, by the way….aus Gründen wohl springt mich das Teil so an. No Mirror but ball. Und eben DIESES Rot.
Nach dem früh beendeten Bürotag gehe ich dann folgerichtig auch hin. Der Reiz, den es ausübt bei Salut in der Vorfrühling schreienden Nachmittagssonne Tee zu trinken und wenn’s denn passt ein paar Gedanken nieder zu legen ist nicht der einzige Treiber. Ich will hinüber gehen über die Brücke, vorher hinter der East Side Gallery am Ufer entlang und es mir anschauen. Verschiedene Perspektiven dazu einnehmen und herausfinden, warum es mitten in der Nacht mit mir sprechen wollte. Ich möchte an dem Punkt stehen wo das Bild gemacht wurde und schauen ob irgendetwas in oder mit mir passiert, wenn ich vor Ort bin.
Die Oberbaumbrücke verbindet die Bezirke Friedrichshain und Kreuzberg und ist als imposantes Bauwerk ein Wahrzeichen der Stadt. Mehr als nur angelehnt an die Architektur einer Burg in der Mark Brandenburg führt sie Straßenverkehr, Radfahrer, Fußgänger und, sozusagen im Obergeschoss, die U Bahn über die Spree. Wenn man den Gang auf der Ostseite zwischen den Bögen hinübergeht bietet sich ein Mix aus olfaktorischen Zumutungen, sozialem Elend, manchmal Musik dazwischen und zum Sonnenaufgang, wenn dann auch noch leichter Nebel über dem Fluss liegt ein paar prima Photomotive.
Der Übergang auf der Westseite hält auf dem Brückenwerk ein paar Ausbuchtungen bereit. Eine davon war der Standort für das auslösende Bild. Ein Ort an dem ich oft angehalten und einfach ein wenig geschaut oder in schlechteren Zeiten versucht hab‘ mich durch Konsum zu dämpfen, was natürlich, wie so vieles in den letzten Jahren, eher grandioser Unfug war.
Die Treptow Jahre haben mein Verhältnis zu den Brücken verändert. Da der Berliner viel im Kiez lebt sind solche Ausflüge über den Fluss nicht die Regel. Die Pendelei und das Büro am Holzmarkt haben mit das zum alltäglichen Geschäft gemacht und auch Auto war da, wieder meine sonstigen Lebensverhältnisse oft ein Thema.
Die Elsenbrücke, von der ich einst in die Spree mich hab fallen lassen (‚geh raus und sing!‘) kaputt und abgerissen, im Provisorium verharrend noch für Jahre.
Die Oberbaum hatte immer den Charme des Blicks auf ein sich stetig veränderndes Szenario. Zum Osten hin der Urban Spree Bereich, nach Westen der Unfug, den sie an der Gallery veranstalten. Vom Sponsored by Grossarenaumfeld will ich gar nicht anfangen. Aber genau das ist eben Berlin und auch genau das macht es aus. Gemüseschlachten und Kunstmärkte, nur noch eine Spur für Autos, abgetrennte Radwege und genug Platz für Fußgänger. Vielleicht irgendwann auch noch in der Verlängerung der M10 die Bimmel dazu, die dann gerade die Falkensteiner Runter durch‘n Görli bis Neukölln… Ja ja Berlin….iss ja gut. Nicht mit dem derzeitigen Senat. Der möchte ’ne U Bahn nach Weißensee, Magnetschwebebahn-Experimente aber vor allem immer noch Vollgas möglichst unbeschränkt für’s Blechgewitter.
Es würde genügen einmal genau hinzuschauen um fest zu stellen warum die Oberbaumbrücke ein immer entspannt wirkender Ort ist. Eben wegen der Trennung des Verkehrs und dem reduzierten Tempo, welches auf ihr herrscht. Selbst die U-Bahn scheint sich in Vorbereitung auf das Kreuzberg S zum Schlesi nicht nur gezwungen, sondern lustvoll zu verlangsamen um dann wahlweise mit Sonne im Rücken in den Tag oder aus dem Tag in den Sonnenuntergang zu rattern.
Ich hab‘ trotz der nächtlichen Kunstattacke nichts gespürt als ich dieses mal dort war und auch bei Salut gab’s entgegen der Vorsätze nur einen mittelkurzen Tee. Es hatte eine Klärung gebraucht. Die war erfolgt. Ich war weit genug gegangen dafür. No Poetry this time.
An den Stränden der Ostsee lässt sich allerhand dekoratives, wertvolles und poetisches finden und einsammeln. Die Ausstellung beim Leuchtturm (Darßer Ort) zeigt so ziemlich alle find baren Preziosen in der Art beschrieben und en Detail, dass es ein guter Ort ist, um alles darüber zu lernen was das Ostmeer wo, woher und warum an seine Strände spült. Es schärft dem Ungeübten den Blick für Hühnergötter, Donnerkeile, Versteinerte Seesterne, seltenen Bernstein, Fischknochen, allerhand Holz und und und…
Von früheren Dampfschiffen stammende Steinkohlereste vom ewigen Flint unterscheiden zu können fällt vermutlich weit in die Kategorie des unnützen Wissens, fasziniert mich dennoch genauso wie die Herkunft und der Weg des Meerglases, welches sich durch unsere Ostseegeschichte der letzten 10 Jahre zieht.
Auch daran ließe sich das ganze Leben in Zeit aufreihen, wie die Hühnergötter auf Schnur, die so lange und schwer rechts über dem Küchenfenster hingen, bis sie dann an der Wand des ZEN-Balkons endlich einen passenden Platz fanden. Und da gibt es eben noch das Zentrum meines Universums der Kieshaufenfundsachen vom Ostmeer: Meerglas oder Meer Glas, wie es mir die Rechtschreibkorrektur vorschlägt.
Es gibt inzwischen Bücher darüber und Menschen, die quasi eine Wissenschaft daraus gemacht haben. Kunst in jedweder Form, verwendet es. Es wird gesammelt in Flaschen, Vasen, Setzkästen und Schubladen, sortiert nach Größen, Farben, Formen und Art.
In den ersten Lebensjahren meiner Tochter hatten wir das Glück viele Tage an den Stränden zwischen Wismar und Stralsund zu verbringen. Der Bodden, das ‚Otterwechesel-Schild‘…
…das spezielle Licht am Darß, die Vögel, Schilfmeer, die Zeesboote mit ihren roten Segeln und die Weite der Landschaft haben in mir immer etwas besonders bewegt. Ich beobachte mit Freude, dass es sich auch in Martha geprägt hat. Ihre Kindheitserinnerungen sind reich davon.
Das Hinschauen beim Suchen, die Freude am Finden, das Wissen wollen, Erklären können und darüber wiederum zur Herleitung eines ‚Gesamtsystems‘ (Ostsee) zu finden, in all den Details, die uns auf hunderten Infotafeln inkl. natürlichem Ansichtsmaterial begegnet sind auf unseren Wegen dort, war und ist für sie von unschätzbarem Wert.
Zentrales Element ist das Meerglas für uns geworden, weil es quasi überall vorhanden, verhältnismäßig leicht zu finden und in rauen Mengen vorhanden ist. Der Spaß entsteht beim Sammeln von selbst.
Als Deko- oder Bastelmaterial fanden die vielen kleinen Scherben genauso Verwendung, wie große geprägte Fundstücke, Flaschenböden oder besondere Formen, die ihren Ehrenplatz in den Regalen und Kästchen und Rahmen bekommen.
Ob glatt, glasig, durchsichtig oder milchig abgeschliffen, ob teil rund, flach, gekerbt oder in der Teil Form kleine bis große, in vollständiger Rundung erhaltene, Stücke von Flaschenhälsen, ob grün, braun, blau, weiß oder rot. Die Farben und Formen sind schier unendlich. Rot allerdings ist extrem selten zu finden.
Bernstein wird viel und gerne zu Schmuck verarbeitet. Die Ketten, Ohrringe, Armbänder aus Reihungen der honiggelben fossilen Harzperlen sind an der Küste allgegenwärtig. In den letzten Jahren taucht vermehrt auch das Meerglas als Element auf. Es ist, was den Schliff betrifft, durch seine Brüchigkeit, schwieriger zu bearbeiten als Edelsteine.
Formen und glatten Rand herzustellen, gelingt dem Meer in Jahren und Jahrzehnten der Bearbeitung des Materials und die Ergebnisse sind immer Folge eines willkürlichen natürlichen Prozesses. Das Meer schleift nicht gezielt, sondern verkörpert die Verbindung aus mechanischer Kraft und Zeit in einem scheinbar zufälligen und doch ‚kosmisch irgendwo aufgehängten‘ Prozess. Daraus entsteht in meinen Augen die Poesie des Meerglases als Material.
Die spricht auch aus den Segeln, der Wäsche auf der Leine oder den Vögeln im Geäst, den Ästen der Windflüchter und den vielen wunderbaren Dingen, zu welchen die auf Usedom ansässige Künstlerin Kerstin Langer, in ihren Miniaturen und Bildern, Meerglas in all seinen Farben und Formen verarbeitet.
Bei ihr haben wir uns das Wesentliche abgeschaut. Als wir dann das Finale des ‚längsten Ostseesommers aller Zeiten‘ nicht auf dem Rad, sondern am Klausdorfer Strand verbracht haben ist das Meerglas auch für uns ein bestimmendes Element der dort entstandenen Bilder und Basteleien geworden.
Es ist immer da gewesen, all die Jahre. Auf den Bildern, in den Gläsern und Flaschen, den Vasen und Kästchen. Am Fenstersims und im Regal.
Es war nur folgerichtig, ein Tütchen voll davon dabei zu haben als es dann konkret wurde mit dem Auftrag an die Schmuckschmiedin für die Ringe.
Das sofortige Verständnis meiner Idee, die kurze Skizze beim Gespräch als ich zum ersten Mal in ihrem Laden war, die Begeisterung für die Vision und das sofortige Benennen der Herausforderung des Materials. Als sie mir dann eine schnelle Kalkulation auf den Zettel zusammenschrieb, die völlig wider Erwarten ein Budget aufrief, welches Leistbar war und die Sache ‚absolut wert‘, waren wir sofort per Handschlag im Geschäft.
Als dann der bis dahin völlig unbedeutende Termin zur Fertigstellung durch die Dynamik der Wochen um den Jahreswechsel virulent wurde, der subdienstleistende Steinschleifer jedoch erst in Urlaub und dann krank war, enttäuschte die Schmuckschmiedin nicht. Vielmehr glänzte sie nicht nur durch vollen Einsatz und termingerechte Bereitstellung des Ringpaars, inklusive Größenanpassung des Einen auf’n Sonntag, sondern löste die Herausforderung so souverän im Ergebnis, dass hier etliche Punkte auf’s Poesiekonto flossen.
Auch ihre Seele steckt mit in diesem Paar Ringe. Das sie sich von der, Geschichte zum Meeglas und zum etwas unüblichen Scope der Gravur, die ich ihr nun wie versprochen zur Abholung erzählte, zu Tränen rühren ließ ist mehr als ein Sonnenstrahl aus Ihrer Seele, der nun mit in den Ringen steckt.
Wir haben das Meerglas, nach der Trauung in Barth, an den Händen nach Hause gebracht. Es war ein wunderschöner Vorfrühlingstag mit blauem Himmel, Sonne und dem in der Vergangenheit so oft gegangenen Weg von der Seebrücke in Graal Müritz in Richtung Warnemünde. Damit sind die Dinge rund wie die Ringe und zum Meerglas bestimmt lange nicht alles, aber für hier und jetzt genug gesagt.
herr libuda…..vier Jahre ist das nun her. Gossartiger Abend was die Musik betrifft….wenig Verständnis seitens meiner Begleitung damals. Wie auch immer…..heute stellt sich das folgendermaßen dar:
Four years gone…
Never compare!
So it just turns a smile on my face…and reaches out for the never ending.