autumn leaves

Lange nicht erlebt.
Überhaupt schon ein mal erlebt?
Der Wechsel der Jahreszeiten in EINEM MOMENT.


Ein Sommer der völlig anders verlaufen ist als geplant.
Leben ist scheitern und Scheitern ist Leben.
Es ist ein lebendiges Scheitern geworden und damit ein Sommer, der genauso das unbeschwerte, befreite, fröhliche Leben gefeiert hat wie er Wanderungen durch tiefe, verschattete Täler bereit hatte und davon nicht gerade wenige.

Aus der Schwere sind Linien, Gedanken, Entscheidungen und Musik gewachsen, was sie nicht leichter gemacht hat, aber erträglicher.
Trauern, Be- und Verarbeiten ist weit vor dem ’nach vorne orientieren‘, (zurück) zu sich selbst kommen der schwierigste Part, weil er oft mit Gemütszuständen einher geht, die als unaushaltbar empfunden werden.
Diese liegen in jedem signifikanten Abschied, der ja auch laut dem kürzlich verstorbenen Roger Whittaker ‚ein scharfes Schwert‘ ist, was als Metapher so treffend war, dass der ursprüngliche Schlagertitel zum Gemeinplatz werden konnte.
Dass dabei gelegentlich ‚Blut fließt‘ ist leider in der Regel nicht zu Vermeiden, letztendlich hin zu nehmen, zumal es die Notwendigkeit von Reinigungs- und Restaurierungsarbeiten befördert.

So verhält es sich auch mit dem Abschied vom Sommer. Meist geht er schleichend über den September hinweg und kulminiert in einem signifikanten Temperaturunterschied Richtung Ende des Monats, der immer noch die Entscheidung offen lässt ob es nun ein goldener oder eben ein trüber Herbst wird.
Die frühe Dunkelheit tut ihr Übriges und der Aufenthalt im Freien wird nach Sonnenuntergang ungemütlicher und damit unwahrscheinlicher. Rückzüge, die auch auf den Balkon noch im Freien möglich waren verlagern sich, aller bereitliegender Decken zum Trotz, nach innen, was auch im übertragenen Sinne ‚Einkehr‘ bedeutet.

Nicht so in diesem Jahr!

Dem (gefühlt) üblichen Ablauf entgegen bildeten in diesem Jahr ewig viele letzte und hinterletzte Sommertage die Basis für das Gros der dunkelnden Septemberabende, die dann in großer Zahl auch noch warme, laue Nächte wurden.
Die Stadt nach den Ferien gut gefüllt, fühlt sich in Teilen südlich an und lässt einen nicht versiegen wollenden Strom an Lebenslust über ihren Menschen aus.
Sonnenuntergänge, Fahrtwind, Spätisessions und Parkgelage, Bodensitzen, Spätschwimmen und Früh Heimkehren, alle Sommerattribute lebten sich über den Monat mehr oder weniger ungebremst weiter.

All, die sich auf spätsommerlichen Sehnsuchtsbögen an die See oder in irgendwelche Büsche geschlagen haben wurden vom Septembersommer ebenso beschenkt, wie einem per Social Media täglich vor Augen geführt wurde und was mich oft genug wehmütig in die Tage im Kanu und die Nächte am See zurück katapultiert hat.
Die Ruhe, die Natur zu geben in der Lage ist erreicht man in der Stadt nur schwer und es braucht (zumindest bei mir) auch immer eine Zeit, bis ich angekommen bin in dieser Ruhe. Die Bewegung ist oft genug das ‚meditative Element‘. Schnelles Hopping zwischen diesen Dimensionen ist ungut.
Dann lieber die Radkilometer durch die Sommernachtstadt und die Felder davor, wo sich in Verbindung mit entsprechendem Soundtrack ein ähnlicher Zustand erreichen lässt.

Und dann stürzt er ab. Vom einen Moment auf den anderen.
Gestern noch neben dem Arbeitsweg zweimal ausgedehnt Rad bis in den späteren Abend. Auch die halbe Stunde ‚frei Strampeln‘ am Morgen wie gehabt. Dann Arbeit, trotz Feiertag. Dinge müssen getan werden. Im sprichwörtlichen Abarbeiten verfängt gerade ein schon tagelang aufgeschobener Fragebogen, der deutlich grundsätzliches und persönliches beinhaltet, weshalb es auch Zeit und Nachdenken brauchte mich daran zu setzen.

Mitten ins konzentrierte Beschreiben innerer Beweggründe, Erwartungshorizonte und gemachter Erfahrungen, was ohnehin nicht die freudigste Sache der Welt darstellt, verfinstert sich am frühen Nachmittag der Himmel innert von Minuten so weit, dass es sofort Kunstlicht in der Wohnung braucht, die Temperatur fällt ebenso rasant, was mich ad hoc zu Pullover und Socken nötigt. Hand in der Sockenschublade nehme ich das monsunartige Geräusch durch die immer noch sperrangelweit geöffneten Fenster wahr.

Gut dem nicht hinterher zu kippen, an dieser Stelle nicht, das sofort auch olfaktorisch wahrnehmbare, Ende dieses großen Sommers zu betrauern und darüber in Gemütszustände abzugleiten, die dem Leben, wie es sich an diesem Übergang darstellt alles andere als gerecht werden würden.
Inne zu halten und dem Raum zu geben, nach zu spüren was ad hoc verloren ist war gut.
Vielleicht war es sogar hilfreich, dass der Moment, der ja im Raume stand und auf den sich Kalender und Uhr ungebremst immer weiter zubewegt haben, doch so plötzlich und mit einem dunklen, kalten, nassen Schwung herübergefegt kam. Da ist jegliches Lamentieren unangebracht. Wir waren schon lang in der Nachspielzeit.